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Was ist Wirtschaftsingenieurwesen?

Ein Beitrag von Prof. Dr. Holzbaur, HTW Aalen

Wirtschaftsingenieurwesen ist die Ingenieursdisziplin welche maschinenbauliche und betriebswirtschaftliche Kompetenzen miteinander verbindet, so dass Absolventen Führungsaufgaben im Bereich Technik und Wirtschaft sowie an deren Nahtstellen wahrnehmen können.

Der Fakultäten- und Fachbereichstag Wirtschaftsingenieurwesen schreibt dazu: »Das Wirtschaftsingenieurwesen basiert auf einer inhaltlichen Verzahnung von Wirtschaft und Technik. Das Studium vermittelt Wissen aus den Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften und integriert zugleich die Vermittlung der sogenannten Soft Skills, wie internationale Verhandlungsführung, Konfliktlösung und Teamfähigkeit. Komplexe Anlagen verkaufen, anspruchsvolle Projekte leiten und technische Fragestellungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten analysieren - das sind typische Aufgaben von Wirtschaftsingenieuren in der heutigen Zeit. Diese interdisziplinär ausgebildeten Generalisten sind von der Industrie stark nachgefragt.«

Es gibt den Spruch, Wirtschaftsingenieure seien wie eine Ente: sie können fliegen, schwimmen, tauchen, klettern und laufen aber nichts so perfekt. Wer eine Ente hat fliegen sehen wird den Spruch relativieren. Und das Grundprinzip stimmt: an der Schnittstelle zwischen Wasser und Luft sind Enten perfekt, sie können aber alle drei Elemente nutzen.

Das Studium Wirtschaftsingenieurwesen

Wie in allen Studiengängen, die an verschiedenen Hochschultypen angeboten werden, sehen die Studiengänge leicht unterschiedlich aus, vor allem bezüglich des ingenieurwissenschaftlichen Schwerpunkts.

Das Studium Wirtschaftsingenieurwesen ist sehr abwechslungsreich. Man kann grob sechs Bereiche identifizieren, deren Umfang sich je nach Studiengang, Studienschwerpunkt und eigenen Schwerpunktsetzungen unterscheiden: Mathematisch-naturwissenschaftliche Grundlagen, Ingenieurwissenschaften und Technik, Betriebswirtschaft und Management, Integration und Schnittstellenfächer, Soft Skills und Sprachen.

› Der Schwerpunkt der technischen Fächer ist die stärkste Differenzierung zwischen unterschiedlichen Studiengängen. Er kann z.B. im Maschinenbau, Produktion, Elektronik, Bauwesen oder Projektmanagement liegen. Je nach dem Schwerpunkt und dem daraus folgenden Bedarf sind die technischen Fächer und die mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen ausgeprägt. So reicht die Spanne der Grundlagen in einem maschinenbauproduktionsorientierten Studium von der Mathematik und Statistik, der klassischen Physik, Technischer Mechanik (Festigkeitslehre) und Werkstoffkunde bis zur Thermodynamik (Wärmekraftmaschinen), Produktentwicklung und Computer Aided Design.

› Im Bereich Management (General Management, Unternehmensführung) und Betriebswirtschaft und Marketing erhalten die Studierenden diejenigen Kompetenzen, die sie als Führungskraft und zu Kooperation mit den kaufmännischen Abteilungen im Unternehmen befähigen. Management, Marketing, Kosten-Leistungs-Rechnung, Controlling und Investitionsrechnung werden dabei mit ingenieurstypischem Hintergrund vermittelt. So findet man beispielsweise meist eher Investitionsgüter- Marketing als Konsumgüter-Marketing. Die Definition, Planung und Durchführung von Projekten wird in der Wirtschaft und im Studium immer wichtiger. Dazu gehören Führungsaufgaben ebenso wie Soft Skills. In konkreten Projekten lernt der Wirtschaftsingenieur nicht nur Projektmanagement sondern auch fachliche Inhalte.

› Typische Schnittstellenfächer im Bereich der Grundlagen sind auch Operations Research, Systemtechnik, Modellbildung oder Simulationstechnik. Für den in mathematischen Methoden geschulten Ingenieur bietet sich die Anwendung mathematischer Modellbildung und Methoden sowie der Systemtheorie in Wirtschaft und Management zur Betrachtung und Lösung komplexer Probleme an. Grundlagen in Mathematik sind im Studium Wirtschaftsingenieurwesen unabdingbar.

› Integrationsfächer wie Prozessmanagement, Qualitätsmanagement, Enterprise Ressource Planning, Fertigungswirtschaft, Materialwirtschaft und Fabrikplanung betrachten die internen Materialflüsse, Informations- und Wertströme im Unternehmen und Optimierung von Strukturen und Prozessen sowie deren Umsetzung ins Unternehmen. Supply Chain Management und Logistik betrachten die externen Material-, Informations- und Wertströme. Nachhaltige Entwicklung ist ein Thema, das im Sinne einer unternehmerischen Verantwortung für die Zukunft immer mehr Bedeutung gewinnt und die Naturwissenschaftlich-Technischen Aspekte wie beispielsweise regenerative Energien, Mobilität oder Ökologistik mit der Corporate Social Responsibility, Führungsaspekten und Wissensmanagement integriert und auch die Unternehmenskommunikation als wichtigen Bereich erfasst.

› Die Informatik wird teilweise der Technik oder den Grundlagen zugeordnet. Im Studium Wirtschaftsingenieurwesen hat die Informationstechnologie wichtige Schnittstellen zu den betrieblichen Abläufen und zur Wirtschaftsinformatik: sie strukturiert und automatisiert die Informationsströme und erlaubt erst die Beherrschung komplexer Ströme und Prozesse im Unternehmen.

Je nach Schwerpunkt kann man dem Wirtschaftsingenieur verwandte Studiengänge auch unter Bezeichnungen wie Technik und Management, Technisch orientierte BWL und ähnlichem finden, wobei jeweils eine der Komponenten den Schwerpunkt von Studium und späterer Berufstätigkeit bilden. Abhängig davon führt das Studium auch typischer weise zum Bachelor of Engineering, seltener of Arts (BWL-Schwerpunkt) oder of Science (wissenschaftlich orientiert).

»Je nachdem, ob gerade Projektleiter oder Produktionsplaner, Einkäufer oder Verkäufer, Vertriebsingenieure oder Controller gefragt sind, kann sich der Wirtschaftsingenieur flexibel dem Bedarf anpassen.«

Der Wirtschaftsingenieurstudent kann sich im Studium typischerweise auf Schwerpunkte konzentrieren. Je nach Hochschule gibt es unterschiedliche Modelle der Schwerpunktbildung (Wahlpflichtmodule, Y-Modelle). Die abgelegten Fächer und die gewählten Schwerpunkte werden im Diploma Supplement festgehalten und geben so dem zukünftigen Arbeitgeber eine Information über die genauen Inhalte des vom Bewerber absolvierten Studiums.

Darin liegt auch die Flexibilität bezüglich Einsatzgebiet und Branche und die Konjunkturunabhängigkeit: Je nachdem, ob gerade Projektleiter oder Produktionsplaner, Einkäufer oder Verkäufer, Vertriebsingenieure oder Controller gefragt sind, kann sich der Wirtschaftsingenieur flexibel dem Bedarf anpassen.

Wirtschaftsingenieurwesen ist ein Studiengang, den man in Deutschland an vielen Hochschulen findet, der aber im Ausland wenig verbreitet ist. Firmen setzen Wirtschaftsingenieure gerne auch im internationalen Umfeld ein. Ein Student im Wirtschaftsingenieurwesen sollte deshalb auch das Interesse und die Bereitschaft zur Arbeit im Ausland und zur Kooperation mit Menschen aus anderen Kulturkreisen mitbringen und während des Studiums vertiefen. Auch zur Übernahme von Verantwortung für Prozesse und Personen in Projekt- und Linienfunktionen sollte der Wirtschaftsingenieur bereit sein. Auf diese Rollen wird er auch im Studium beispielsweise durch Planspiele und Projekte hingeführt.

Das Studium eignet sich für Menschen mit und ohne Berufserfahrung, die Interesse an Technik und Management und eine stabile mathematische Grundausstattung mitbringen. Studierende sollten Interesse am Umgang mit Menschen mitbringen, da Wirtschaftsingenieure häufig an Schnittstellenpositionen eingesetzt werden und typischerweise Verantwortung und Führungspositionen im Unternehmen übernehmen.

Da ein Einsatz im internationalen Umfeld oder im Ausland wahrscheinlich ist, empfiehl es sich, ein Studiensemester oder Praktikum im Ausland zu absolvieren. Für das Praktikum oder die Abschlussarbeit im Ausland ist eine vorherige Tätigkeit in der Firma in Deutschland, beispielsweise im Rahmen von Ferienjobs hilfreich, es gilt also rechtzeitig zu planen. Beim Aufbau neuer Produktionsstätten und der Erschließung von Absatzmärkten für technische Produkte sind Wirtschaftsingenieure als Absolventen aber auch im Rahmen eines Praxissemesters gefragt.

Da es das Studium im Ausland kaum gibt und diese Integration von Technik und Management im Hochschulbetrieb wenig bekannt ist, muss sich der Student beim Auslandsstudium meist entscheiden, ob er/sie das Studium eher in der Fakultät Management/BWL oder Ingenieurwesen/Technik absolviert. Neben den klassischen Vorlesungen ist dabei auch immer interessant, Projekte an der Partnerhochschule zu absolvieren und beispielsweise für eine Marktanalyse oder ein Entwicklungsprojekt die benötigten Credit Points zu bekommen.

Studienverlauf: Bachelor, Master und Bologna

Der Bologna-Prozess hat nicht nur zu einer Umbenennung und Aufspaltung geführt, sondern vor allem zu einer Modularisierung. Die alte Regelung, dass eine Vorlesung mit 4 SWS mal nur durch Zuhören und mal durch intensive Projekte oder eigene Recherchen absolviert wird, ist durch eine Standardisierung ersetzt, die dem Studenten Sicherheit geben soll: wo 5 CP draufsteht sind auch (typischerweise) 150 Stunden Arbeit drin. Dies ist besonders in den Integrationsfächern relevant, wo häufig Projekte der Konkretisierung und Vertiefung von Inhalten dienen.

Die Studienverläufe sind ähnlich aufgebaut: Man startet mit dem Bachelor, der in 6 oder 7 Semestern zum berufsqualifizierenden Abschluss führt, danach kann ein Master-Studium angeschlossen werden. Konsekutive Studiengänge führen in 10 Semestern (300 CP, 9000 Stunden Studium) zum Master. Durch die Bologna-Flexibilisierung ist der Übergang zwischen Hochschultypen, Hochschulen oder Studiengängen erleichtert. Auch eine berufliche Tätigkeit zwischen Bachelor und Master oder ein berufsbegleitendes Teilzeitstudium sind möglich. An den Master kann eine Promotion anschließen.

Ein Bachelor Wi.-Ing. kann anschließend nicht nur ein Masterstudium in Wi.-Ing. (Industrial Management) sondern auch in einem BWL-, Management- oder Ingenieurfach aufnehmen. Analog bietet sich ein Master-Studium auch für Ingenieure an und - wenn es die Zulassungsbedingungen und Kompetenzen erlauben - auch für technisch interessierte Betriebswirte.

Die Studiengänge an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Dualen Hochschulen und Fachhochschulen haben meist 7 Semester (davon ein praktisches Studiensemester) und führen zu einem voll berufsqualifizierenden Abschluss, auf den ein Master mit 3 oder 4 Semestern angeschlossen werden kann. Wer nach einem Uni-Studium mit 6 Semestern auf einen 3-semestrigen Master wechseln will, muss die zusätzlichen 30 CP (Leistungsnachweise im Umfang von einem Semester) in Theorie oder Praxis nachholen.

Berufsstart und Beruf

Der Fakultäten- und Fachbereichstag Wirtschaftsingenieurwesen schreibt zu den Berufschancen: »Die bisherigen Absolventinnen und Absolventen des Wirtschaftsingenieurwesens haben sich auf Grund ihrer interdisziplinären und praxisorientierten Ausbildung in allen Wirtschaftsbereichen bewährt.«

Je nach persönlichem Interesse und Arbeitsmarktlage kann der Wirtschaftsingenieur mit Betriebswirten oder Ingenieuren konkurrieren. In der Integration kann er aber seine Stärken ausspielen: Das Verständnis für Wirtschaft und Technik. Wirtschaftsingenieure findet man als Manager technischer Unternehmen und Manager in Logistik, Einkauf, Marketing oder Vertrieb in technisch orientierten Unternehmen. Aber auch in nicht technisch orientierten Unternehmen kann der Wirtschaftsingenieur seine Kompetenzen einbringen.

Als Top-Manager steigt man nur ein, wenn man ein Unternehmen erbt. Jeder Absolvent, also auch der Wirtschaftsingenieur muss sich seinen Einstieg und den anschließenden Aufstieg überlegen. Auch realistisch sich fragen: was kann ich, was liegt mir, wohin will ich? Was reizt mich? Geld, Macht, Verantwortung, Gestaltungsmöglichkeiten, Freiheit? Bei rechtzeitiger Planung ist alles möglich: ein Einstieg im Bereich der Beratung, als Bereichsleiter, als Trainee oder als Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung.

Der Praxisschock für Akademiker ist nicht so sehr die feste Arbeitszeit oder die Komplexität der Arbeit. Es sind die »ill-posed problems« - Probleme statt Aufgaben. Der Berufsanfänger bekommt kein detailliertes 20-seitiges briefing über seine erste Aufgabe, sondern ein Problem, in das komplexe Systeme und komplizierte Menschen eingebunden sind. Wer Erfahrung aus entsprechenden studentischen Projekten (nicht nur erarbeiteten Präsentationen), relevanter beruflicher Tätigkeit (Projekterfahrung, Verantwortliche Arbeit) oder ehrenamtlichem Engagement (in mitgestaltenden Rollen innerhalb und außerhalb der Hochschule) mitbringt, ist beim Bewerbungsgespräch und beim Berufsstart klar im Vorteil.

Kurzvita

Prof. Dr. Ulrich Holzbaur studierte Mathematik und Physik an der Universität Ulm. Nach dem Abschluss seiner Promotion im Bereich der Mathematischen Methoden für betriebswirtschaftliche Anwendungen arbeitete er als Software-Systemingenieur und später als Leiter eines Labors und Projektleiter für Entwicklungsprojekte. Die Professur im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen nahm er an, da ihn aufgrund seiner Vorkenntnisse die Integration von Naturwissenschaften, Ingenieurwesen, Betriebswirtschaft und Management als lohnende Herausforderung und spannendes Thema erschien. Prof. Holzbaur war als Dekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften am Aufbau mehrerer Studiengänge und der Gestaltung von Kurrikula beteiligt. Holzbaur forscht und lehrt in den Bereichen Projektmanagement, Qualitätsmanagement und Nachhaltige Entwicklung, frühere Lehrveranstaltungen umfassen Themen der angewandten Mathematik und Informatik. Daneben ist er in Auslandsprojekten zu den Themen Kompetenzentwicklung und Nachhaltige Entwicklung aktiv und Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Angewandtes Management.
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