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Berufsbild Rote Biotechnologie

Ein Beitrag von Prof. Dr. Kerstin Otte, Studiengang Pharmazeutische Biotechnologie, Hochschule Biberach

Die Biotechnologie ist eine klassische Querschnittstechnologie, die sich sowohl mit Disziplinen wie Biologie und Biochemie beschäftigt, aber auch Physik, Chemie, Verfahrenstechnik und Informatik umfasst.

Die Biotechnologie umfasst verschiedene Bereiche: In der grünen Biotechnologie kommen biotechnologische Verfahren in der Landwirtschaft und bei Pflanzen zum Einsatz, die weiße Biotechnologie setzt Methoden für industrielle Produktionsverfahren ein und die rote Biotechnologie beschäftigt sich mit der Entwicklung neuer therapeutischer und diagnostischer Verfahren. Dieser Bereich wird auch medizinische Biotechnologie genannt und ist der größte Sektor innerhalb der Branche, dem insgesamt 48,3% der biotechnologischen Unternehmen zuzurechnen sind (1). Die Suche nach neuen Wirkstoffen, Vakzinen und Biomarkern stellt in Deutschland, aber auch weltweit, den wichtigsten Anwendungsbereich der Biotechnologie dar.

Die Herstellung von Medikamenten erfolgt heutzutage immer stärker biotechnologisch. Diese sogenannten »Biopharmazeutika« sind Protein-Wirkstoffe, die durch Produktionsorganismen mit gentechnisch übertragenen Informationen in speziell dafür entwickelten Bioreaktoren herstellt werden. Dies gilt vor allem für eiweißbasierte Medikamente wie Antikörper oder Hormone. Solche aktiven Biomoleküle lassen sich in ihrer dreidimensionalen Form nur von lebenden Organismen oder Zellen produzieren. Die Produktion von Biopharmazeutika gehört damit zu den anspruchsvollsten Herstellungsverfahren, die es überhaupt für Medikamente gibt. Bei der Herstellung solcher Biopharmazeutika ist Deutschland Europameister und nach den USA weltweit der größte Produktionsstandort für biotechnologisch hergestellte Medikamente (2).

Studiengang pharmazeutische Biotechnologie

An deutschen Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften wird derzeit eine Vielzahl von Studiengängen mit Relevanz für die Biotechnologie angeboten. Ihre Anzahl schwankt je nach Definition, liegt jedoch bei ca. 165 Studiengängen mit Relevanz für die Biotechnologie, darunter 85 Studiengänge an Universitäten und 80 Studiengänge an Fachhochschulen (3). Die inhaltlichen Schwerpunkte der biotechnologisch relevanten Studiengänge sind jedoch sehr breit gestreut.

Entsprechend der Wichtigkeit der medizinischen Biotechnologie hat die Hochschule Biberach in Baden-Württemberg im Jahre 2006 den ersten Bachelorstudiengang in Deutschland eingerichtet, der spezifisch auf die industrielle Entwicklung und Produktion von Biopharmazeutika zugeschnitten ist und durch einen konsekutiven Masterstudiengang in Kooperation mit der Universität Ulm erweitert wurde. Die beiden Studiengänge Pharmazeutische Biotechnologie (PBT) legen den Schwerpunkt auf den Herstellungsprozess von biopharmazeutischen Medikamenten und konzentrieren sich auf die Anforderungsprofile biopharmazeutischer Unternehmen. In dieser Hinsicht ist das PBT-Studium fokussierter als z.B. ein Biologie-, Biotechnologie- oder Verfahrenstechnik-Studium und ermöglicht in sieben Semestern Regelstudienzeit eine zügige Ausbildung, die sich eng an der beruflichen Praxis im Bereich Biopharmazie orientiert. Biotechnologie - Hochschule Biberach So wurden die Inhalte des Bachelorstudiengangs PBT in enger Abstimmung mit Experten der pharmazeutischen Industrie und nationalen und internationalen Hochschulen mit Biotechnologie-Studiengängen entwickelt. Neben Vorlesungen und Seminaren nehmen verschiedenste Laborpraktika einen großen Teil der Ausbildung ein. Integriert ist außerdem ein komplettes Praxissemester, das in der Industrie absolviert werden soll und ein erstes »Hineinschnuppern« in das Berufsleben ermöglicht. Ein erklärtes Ziel des PBT-Studiums ist es, die Absolventen so anwendungsbezogen auf ihre spätere Tätigkeit vorzubereiten, dass sie nach einer wesentlich kürzeren Einarbeitungszeit bereits eigenverantwortlich arbeiten können. Dies verschafft einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber weniger spezifisch ausgebildeten, akademischen Absolventen.

Die Wichtigkeit solch einer Spezialisierung während des Studiums bestätigt die Nachfrage bei Unternehmen: für die zukünftigen Arbeitgeber sind laut einer Studie des Staufenbiel-Instituts die während des Studiums gesetzten Schwerpunkte von entscheidender Bedeutung. Die Bedeutung der Fächerkombinationen ist als Einstellungskriterium bei Naturwissenschaftlern und Ingenieuren sogar wichtiger geworden als die Examensnote (4).

Ab in den Job: Fachpersonal ist gefragt

In der medizinischen Biotechnologie waren in Deutschland im Jahr 2012 knapp 36.000 Menschen tätig, oft mit anspruchsvollem Anforderungsprofil (1, 5). Es sind insbesondere Naturwissenschaftler wie Biotechnologen, Biologen, Chemiker und Biochemiker, sowie Ingenieure und Absolventen technischer Ausbildungsberufe. In biotechnologischen und pharmazeutischen Unternehmen arbeiten überdurchschnittlich viele hochqualifizierte Mitarbeiter und daher ist gut ausgebildetes akademisches Personal ein wichtiger Standortfaktor für viele Unternehmen (2).

»Bundesweit und international sind Absolventen gut gerüstet für Jobs in der biotechnologischen oder pharmazeutischen Industrie.«

Biotechnologie - Hochschule Biberach Die Region Ulm mit den Firmen Boehringer Ingelheim GmbH & Co. KG, Merckle Biotec GmbH und Rentschler Biotechnologie GmbH gehört zu den größten deutschen Produktionsstandorten für Biopharmazeutika und ist nach Zahl der Mitarbeiter der zweitgrößte Bereich in Deutschland, nach Wachstumsdynamik sogar absolut führend. Dies begründet auch die Anstrengungen der Hochschule Biberach und der Universität Ulm in diesem Feld hoch qualifizierte Studiengänge anzubieten.

Für die Absolventen bietet sich damit ein attraktives Umfeld für die Jobsuche in der biopharmazeutischen Forschung und Entwicklung. Aber auch bundesweit und international sind Absolventen gut gerüstet für Jobs in der biotechnologischen oder pharmazeutischen Industrie. So glaubt die überwiegende Mehrheit der Unternehmen, dass der Bedarf an Naturwissenschaftlern stabil bleibt und viele sagen einen wachsenden Bedarf auch besonders für Ingenieure voraus (4).

Neue Bachelor- und Masterabschlüsse bieten Chancen

Die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse - eines der maßgeblichen Ziele der Bologna-Reform - ist in Deutschland nahezu abgeschlossen (6). Der Bachelor ist dabei das grundständige Studium und führt bereits nach sechs bis acht Semestern zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Durch die verkürzte Studiendauer und neue Inhalte ermöglicht der neue Abschluss einen früheren Berufseinstieg als bislang und soll die Hochschulabsolventen besser für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Während des Bachelorstudiums sollte man eine klare Vorstellung davon entwickeln, wo die eigenen Interessen, Stärken und Schwächen liegen, und welche Berufsrichtung man einschlagen möchte. Nach den späteren Berufsanforderungen sollte dann entschieden werden, ob ein Masterstudium notwendig ist, um sich zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. So qualifiziert der Bachelorabschluss bereits für anwendungsorientierte Bereiche in biotechnologischen Unternehmen, der Master hingegen hilft, das eigene Berufsbild zu schärfen und ist auch Voraussetzung für eine wissenschaftliche Karriere.

»Klare Vorstellung entwickeln, wo die eigenen Interessen, Stärken und Schwächen liegen, und welche Berufsrichtung man einschlagen möchte.«

Die große Mehrheit der Biotechnologiestudiengänge wird mittlerweile als Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten. Bachelorabsolventen der Fachrichtung Biotechnologie haben somit die Möglichkeit, direkt in die Berufstätigkeit einzusteigen oder an einer Hochschule einen weiterführenden Masterstudiengang zu absolvieren. Hat man sich für ein Masterstudium entschieden, muss man sich für Schwerpunkte in Studieninhalten entscheiden, denn Masterstudiengänge werden im Bereich der Biotechnologie sehr differenziert angeboten. Viele Masterstudiengänge werden konsekutiv angeboten, führen also einen Bachelorstudiengang fachlich fort und vertiefen diesen, aber auch die Wahl einer ganz neuen Ausrichtung an einer anderen Hochschule ist möglich. Der nicht-konsekutive Masterstudiengang bietet die Chance, in einem anderen Bereich der Biotechnologie einen weiteren Schwerpunkt zu setzen und damit das Berufsbild anzupassen, zu ändern oder zu schärfen. Bei der Wahl des Masterstudiengangs sollte auch bedacht werden, dass die Ausrichtung des Studiengangs auf anwendungs- oder forschungsorientierte Ausbildung wichtig ist, je nachdem ob das Studium für eine Karriere im Unternehmen oder an einem Forschungsinstitut qualifizieren soll. Die Hochschule Biberach hat beispielsweise in Kooperation mit der Universität Ulm einen gemeinsamen konsekutiven Masterstudiengang Pharmazeutische Biotechnologie mit dem Abschluss »Master of Science» (»M.Sc.«). eingerichtet, der auf dem gleichnamigen Bachelorstudiengang der Hochschule Biberach aufbaut. Somit können Studierende die gewählte Fachrichtung vertiefen und qualifizieren sich durch die Kooperation von Universität und Hochschule sowohl für die Forschung als auch Entwicklungsbereiche in Unternehmen.

Biotechnologie - Hochschule Biberach Für Studierende stellt sich oft die Frage, ob Bachelor- oder Masterabschluss die richtig Wahl für den eigenen Berufsweg ist. Die Position vieler Unternehmen jedoch ist klar: sie sind mehrheitlich zufrieden mit den Leistungen der Bachelorabsolventen (7), der von vielen Arbeitgebern bevorzugte Abschluss ist jedoch der weiter qualifizierende Master. So bevorzugen 87% den Master bei Ingenieuren und 78% bei Naturwissenschaftlern (4). Der Bachelorabschluss ist dagegen nicht so populär mit rund 30% in beiden Fachrichtungen. Deutlich bemerkbar macht sich der Abschluss beim Gehalt: 57% der Arbeitgeber bieten unterschiedliche Einstiegsgehälter. Diese Differenz wird jedoch schnell aufgeholt und sollte daher kein Argument für die Aufnahme eines Masterstudiums sein.

»Eine praxisnahe Promotion qualifiziert für den Berufseintritt im Forschungsbereich an Universitäten und Forschungsinstituten, aber auch in gehobene Positionen in der Wirtschaft.«

Ausbildung durch praxisnahe Forschung

Die Zahl der biotechnologisch aktiven Forschungseinrichtungen in Deutschland belief sich 2011 auf 215 Institutionen, darunter 60 Universitäten, 39 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sowie 107 außeruniversitäre Forschungseinrichtung (1). Insgesamt beschäftigten sie über 30.600 Mitarbeiter aus den verschiedensten Bereichen, und damit fast so viele wie in den kommerziellen Biotechnologieunternehmen. Auch für die Pharmabranche sind gut ausgebildete Wissenschaftler wichtig: laut dem Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) stieg die Zahl der Beschäftigten in der Pharmaforschung zwischen 2001 und 2009 um etwa 30 Prozent auf gut 20.000, während sie in der gesamten chemischen Industrie in diesem Zeitraum stagnierte. Neue Ausbildungsmodelle, wie die erst kürzlich eingerichteten kooperativen Promotionskollegs an Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, ermöglichen eine Promotion mit praxisnahen, angewandten Themenstellungen. Ein solches Promotionskolleg »Pharmazeutische Biotechnologie « wird vom Land Baden-Württemberg auch an der Hochschule Biberach und der Universität Ulm gefördert. Es umfasst zwölf Projekte der gesamten biopharmazeutischen Wertschöpfungskette. Die Vorhaben reichen von der Entwicklung neuer Therapieansätze gegen Krebs, Tuberkulose und HIV, über die Verbesserung der Aufnahme von Medikamenten, der Optimierung der Produzentenzellen, Prozessführung der Zellkultur im Bioreaktor und die Stabilisierung des fertigen Wirkstoffes bis hin zu Verabreichungsmethoden über Inhalatoren. Eine solche praxisnahe Promotion qualifiziert für den Berufseintritt im Forschungsbereich an Universitäten und Forschungsinstituten, aber auch in gehobene Positionen in der Wirtschaft.

Die medizinische Biotechnologie ist ein Wachstumssektor, in dem Unternehmen positiv in die Zukunft schauen. Sie suchen vor allem fachlich sehr gut ausgebildete Absolventen und bieten daher für Studierende mit spezifischem Fachwissen im Bereich der roten Biotechnologie ein sehr attraktives berufliches Umfeld und exzellente Berufschancen für die kommenden Jahre.

»Die medizinische Biotechnologie ist ein Wachstumssektor, in dem Unternehmen positiv in die Zukunft schauen.«

Literatur

(1) Die deutsche Biotechnologie Branche 2013. biotechnologie.de, 2013
(2) Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2006. Wirtschaftliche Bedeutung und Erfolgsfaktoren. The Boston Consulting Group, 2006
(3) www.hochschulekompass.de. Internetseite der Hochschulrektorenkonferenz, Stand Januar 2014
(4) JobTrends Deutschland 2013. Die Studie zu Entwicklungen am Arbeitsmarkt für Absolventen. Staufenbiel Institut, 2013
(5) Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2013. Biopharmazeutika: Wirtschaftsdaten und Nutzen für Patienten im demografischen Wandel. The Boston Consulting Group, 2013
(6) Die Umsetzung der Bologna-Reformen in Deutschland. Bundesministerium für Bildung und Forschung, https: //www.bmbf.de/de/7222.php
(7) Mit dem Bachelor in den Beruf. Kolja Briedis, Christoph Heine, Christiane Konegen-Grenier, Ann-Katrin Schröder, Edition Stifterverband: Essen 20
Biotechnologie - Prof. Dr. Kerstin Otte

Kurzvita

Prof. Dr. Kerstin Otte
Studiengang Pharmazeutische Biotechnologie an der Hochschule Biberach
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