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Arbeitszeugnisse: Ein Schaden für die Volkswirtschaft

Es wird ein grosser Aufwand um die Erstellung eines Arbeitszeugnissen betrieben. Lies nachfolgend das Statement eines erklärten Gegners der Arbeitszeugnisse.

Herr Heitkamp, Sie sind ein erklärter Gegner von Arbeitszeugnissen und würden sie am liebsten abschaffen. Warum?

Wir betreiben in Deutschland einen Riesenaufwand rund um das Thema Arbeitszeugnisse. Nur noch in der Schweiz gibt es ansonsten einen rechtlichen Anspruch weltweit. Für mich stellt sich die Frage, lohnt sich der ganze Aufwand, der im Zusammenhang mit Arbeitszeugnissen betrieben wird im Verhältnis zu seinem Nutzen.

Außenstehenden fällt es schwer, sich das Ausmaß vorzustellen. Können Sie unseren Lesern beschreiben, wie sich der Aufwand genau äußert?

Zunächst muss ein Arbeitszeugnis verfasst werden und das kostet viel Zeit. Soll es individuell und authentisch sein, dann ist es mit einer halben Stunde nicht getan. Bei einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer kann das deutlich länger dauern.

Wir sprechen aber nicht nur von einem Arbeitszeugnis bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch von den Zwischenzeugnissen mit ihren zahlreichen Anspruchsgrundlagen.

Bei einem Großkonzern mit 5.000 - 10.000 Mitarbeitern sind der Zeitaufwand und die Kosten, die dadurch entstehen, natürlich enorm.

Richtig. Und die Kosten erhöhen sich weiter. Weil die Thematik zu einer eigenen Wissenschaft geworden ist, lagern immer mehr Unternehmen das Schreiben der Arbeitszeugnisse mittlerweile aus.

Wie das kommt? Da Arbeitgeber den Spagat zwischen einem wohlwollenden, aber auch wahren Arbeitszeugnis hinbekommen müssen, hat sich im Laufe der Zeit eine besondere Zeugnissprache entwickelt. Die zahlreichen Bücher und Ratgeber, die inzwischen existieren, sehen überall Geheimcodes und versuchen diese aufzuschlüsseln. Missverständnisse bei den Formulierungen sind daher an der Tagesordnung, da die selbsternannten Experten mittlerweile von »Passivkonstruktionen«, »Andeutungstechnik«, »Leerstellentechnik« oder »Negationsmethoden« sprechen. Die Branche der »Ghostwriter« für Arbeitszeugnisse wächst dadurch enorm. Internetforen werden gefüllt mit Ratsuchenden und solchen, die Rat geben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen.

Der Ursprung der Problematik liegt also in der Zeugnissprache und den vermeintlich dahinter stehenden Geheimcodes?

Ja, kaum ein Normalsterblicher - das betrifft Personalverantwortliche genauso wie Mitarbeiter, die ihr Arbeitszeugnis eigenständig verfassen sollen - kann deshalb ein Zeugnis noch selbst schreiben, geschweige denn lesen und wissen, was andere alles »hinein interpretieren«.
Infolgedessen werden mehr und mehr Arbeitsgerichte und Anwälte mit dem Thema beschäftigt - oft wegen Banalitäten, meist wegen Formulierungen und Leistungseinschätzungen.

Wenn es möglich wäre, all dieses in Euro zu bewerten, würden wir sehr wahrscheinlich alle erschrecken, welch ein »Schaden« unserer Volkswirtschaft dadurch entsteht.

Bleibt die Frage, welcher Nutzen dahintersteckt?

Genau und auch den bezweifle ich. Es gibt viele Gründe, warum Zeugnisbeurteilungen nicht dem realen Leistungsbild entsprechen und besser oder sogar schlechter ausfallen: subjektive falsche Bewertungen, selber geschrieben, vor Gericht erstritten, Gönnermentalität des Vorgesetzten / der AG, Wegloben, Retourkutsche des Vorgesetzten, Unkenntnis des Ausstellers. Und das sind nur einige Beispiele. Ich bin überzeugt, dass hier die meisten Arbeitszeugnisse zugeordnet werden können. Wirklich aussagekräftige und zutreffende Arbeitszeugnisse halte ich daher schon für eine Ausnahme. Die meisten Firmen haben ja noch nicht mal eine eigene Personalabteilung um ein zutreffendes bzw. rechtssicheres Arbeitszeugnis zu schreiben. Viele Zeugnisse sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden.

Ich kann stellvertretend für viele »Personaler« behaupten, wir sehen den Nutzen der Arbeitszeugnisse nicht mehr. Wir brauchen in der Regel die Zeugnisse nicht, um den richtigen Bewerber einzustellen.

Dann spielt das Arbeitszeugnis bei Ihrer Entscheidungsfindung keinerlei Rolle?

In erster Linie interessieren mich die Qualifikationen und Erfahrungen der Bewerber. Das sollte sich normalerweise aus dem Anschreiben und dem Lebenslauf, mit Darstellung der Tätigkeiten und Hauptaufgaben ergeben. Danach steht in der Regel fest, ob der Bewerber interessant ist und ob ich mir die vollständigen Unterlagen genauer anschaue. Bei den Arbeitszeugnissen prüfe ich dann schon, ob sich Beschäftigungszeiträume und Tätigkeiten mit dem Lebenslauf decken. Sollten aus dem Lebenslauf die genaueren Tätigkeiten nicht hervorgehen, kann ein Arbeitszeugnis diese Lücke natürlich schließen.

Die Bewertungen sind aus den genannten Gründen für mich zweitrangig. Nur mehrere Zeugnisse, mit durchgängig schlechten oder guten Bewertungen, können vielleicht einen ersten Hinweis oder eine Einschätzung geben, wenn ich den Eindruck habe, sie stammen von einem versierten Schreiber. Arbeitszeugnisse entscheiden grundsätzlich nicht, ob ich einen Bewerber einlade und einstelle oder nicht. Sie können aber interessante Ansatzpunkte geben, um das eine oder andere nachzufragen.

Was halten Sie von selbst geschriebenen Arbeitszeugnissen? Rein rechtlich ist das Vorgehen ja zulässig und - inzwischen - in vielen Unternehmen auch gängige Praxis.

Für die Darstellung und Beschreibung der geleisteten Aufgaben und Tätigkeiten halte ich es für sehr sinnvoll, wenn der Arbeitnehmer seinen Input für das Zeugnis leistet. Aus meiner Erfahrung sind jedoch viele selbstgeschriebene Arbeitszeugnisse im Bewertungsteil überarbeitungswürdig. Häufig werden Textbausteine und Standardformulierungen aneinander gereiht und mit Superlativen und Adjektiven der Hervorhebung (hervorragend, etc.) bestückt. Oder es werden Passagen aus anderen Zeugnissen oder Büchern abgeschrieben, die aber nicht die Leistung des Arbeitnehmers widerspiegeln. Oft fehlt mir der »rote Faden« bei diesen Zeugnissen. Da normalerweise Arbeitnehmer nicht über die Erfahrung und das Fingerspitzengefühl für die richtige Formulierung in der Erstellung von Arbeitszeugnissen verfügen, führt das »Selber-Schreiben« nach meiner Erfahrung eher nicht zu einer Qualitätsverbesserung, wenn es ansonsten Aufgabe einer gut funktionierenden Personalabteilung ist. Ein selbst geschriebenes Arbeitszeugnis kann aber durchaus dann die bessere Wahl sein, wenn es keine Personalabteilung im Unternehmen gibt oder wenn sich aus anderen Gründen die Ausstellung durch den Arbeitgeber verzögern würde.

Bewerber bemängeln, dass viele Unternehmen Arbeitszeugnisse bausteinartig und standardisiert erstellen. Wie gehen Sie vor, um Ihren Mitarbeitern eine individuelle Leistungsbeurteilung zu garantieren?

Normalerweise verfahren wir so, dass der für die Beurteilung des Mitarbeiters zuständige Vorgesetzte die Bewertung für das Zeugnis mit dem Arbeitnehmer abstimmt. Hierbei wird auch gefragt, ob der Arbeitnehmer besondere inhaltliche Wünsche für das Zeugnis hat. Außerdem versuchen wir, so weit wie möglich, die individuellen persönlichen Stärken und besondere Kenntnisse und Arbeitserfolge im Zeugnis darzustellen.

Diskutieren Sie mit Mitarbeitern über fertige Arbeitszeugnisse? Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich nicht einverstanden bin mit der Leistungsbeurteilung?

Da wir uns vorab mit den Mitarbeitern/innen abstimmen, haben wir nur sehr selten noch Diskussionen nach der Erstellung. Wenn dann jedoch noch Änderungswünsche bestehen, haben wir da grundsätzlich keine Probleme mit, sofern wir die Änderungswünsche nach unserer Sichtweise vertreten können.
Grundsätzlich kann ich nur raten, nachzuhaken und zu fragen, warum die Beurteilung so ausgefallen ist. Ich empfehle, nicht gleich den Rechtsweg zu wählen oder sofort einen Anwalt einzuschalten. Es ist nie ausgeschlossen, dass vielleicht ein Vorgesetzter eine Retourkutsche fährt nachdem ein Arbeitnehmer gekündigt hat. Die Personalabteilung kann vielleicht helfen. In der Regel wird sie auch ein Interesse haben, ein gerechtes Arbeitszeugnis zu erstellen.

Kurzvita

Horst Heitkamp
Montaplast GmbH
tätig in der Personalleitung

Werdegang:
Horst Heitkamp ist seit 25 Jahren in verschieden Funktionen im Personalbereich tätig. Seit 1999 war er Personalleiter in zwei führenden internationalen Konzernen der Automobilzulieferindustrie. Am 01.10.2009 folgte der Eintritt als Personalleiter bei Firma Montaplast in Morsbach.
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