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Von der Messtechnik über Regelungstechnik hin zu Cyber-Physical-Systems - Informationstechnik vom Feinsten

Ein Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Marc Ihle, Fakultät für Elektro- und Informationstechnik, Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft

Die Elektrotechnik ist uncool und nur etwas für Nerds? Dass dies nicht so ist und welche spannenden Aufgaben Informationstechniker lösen dürfen, zeigt Prof. Ihle anhand einiger spannender Beispiele.

Wer sich für Technik interessiert, der möchte diese auch »begreifen« - auch im wörtlichen Sinne. Daher sind mechanische Systeme von je her für Jung und Alt sehr attraktive Spielzeuge. Was früher etwa die Dampfmaschine, später die elektrische Eisenbahn war, ist heute der Roboter für den Heimgebrauch oder der Quadcopter. Interessant ist dabei, dass sich der Anteil der rein mechanischen Komponenten solcher kleiner Spielzeuge, aber auch bei der Deutschen liebstem »Groß-Spielzeug«, dem Auto, immer weiter verringert. Dafür halten immer mehr Elektronik-Komponenten Einzug in diese Systeme. Die Rechenleistung der Computer, die für die Apollo-Raummission bis im Jahr 1972 insgesamt zur Verfügung stand, ist deutlich geringer, als diejenige, die ein durchschnittlicher Mittelklassewagen heutiger Bauart an Board hat. Ein Großteil davon wird dabei übrigens für Sicherheitsfunktionen verwendet. Auch wenn solche Systeme, etwa das Anti-Blockiersystem (ABS), weiterhin mechanische Komponenten enthalten, der Anteil der informationstechnischen Komponenten steigt kontinuierlich und ist ein unverzichtbarer Anteil zur Realisierung der geforderten Funktion geworden.

»Die Informationen über die Bewegungen des Helikopters werden über elektrische Signale an einen Mikrocomputer übermittelt.«

Während bei einem Spielzeug-Helikopter noch vor wenigen Jahren rotierende Gewichte (der sogenannte Flybar) für die Stabilisierung des Fluggeräts in der Luft auf rein mechanischer Weise sorgte, werden heute mikromechanische Beschleunigungs- und Lagesensoren verwendet. Die Informationen über die Bewegungen des Helikopters werden über elektrische Signale an einen Mikrocomputer übermittelt. Der Computer errechnet daraus viel präziser als dies ein mechanischer Flybar kann, welche Bewegungen die Servo-Motoren ausführen müssen, um das Flugobjekt ruhig in der Luft zu halten. Die Elektrotechnik, und dabei insbesondere die Informationstechnik, bekommt damit leider nicht die Aufmerksamkeit, die sie eigentlich verdient. Das sage ich als Elektrotechnik-Professor nicht aus Geltungssucht. Nein, vielmehr weil wir in Deutschland viel von unserem hohen Lebensstandard unseren Ingenieuren verdanken. Nach dem 2. Weltkrieg hatten Maschinenbau-Ingenieure maßgeblich zum sogenannten »Wirtschaftswunder « beigetragen. Dabei reichte die Anzahl der in Deutschland vorhandenen Ingenieure nicht aus. Es wurden ausländische Fachkräfte nach Deutschland geholt, um den Bedarf zu decken. In naher Zukunft wird es stark von den in Deutschland vorhandenen Elektrotechnik-Ingenieuren abhängen, ob wir unseren Lebensstandard halten können [1]. Der Bedarf ist schon wieder so groß, dass auch heute die Regierung und die Industrie händeringend um deutsche und ausländische Ingenieure werben. Also rosige Aussichten für diejenigen, die jetzt Elektrotechnik, insbesondere Informationstechnik, studieren.
Warum studieren dann so viele Leute Wirtschaft, Jura oder Medizin, aber nicht Elektrotechnik? Ich glaube, es liegt eben daran, dass die Elektrotechniker ihre Aufgabe so gut machen: Die Elektronik moderner Autos funktioniert mit sehr wenigen Ausnahmen so zuverlässig, dass die Nutzer Ihre Aufmerksamkeit nicht darauf lenken müssen. Während es normal ist, dass Sie von Zeit zu Zeit sich um die verschleißende Mechanik Ihres Autos kümmern müssen (Reifen wechseln, Luftfilter erneuern, ...) verwöhnen die Elektrotechnik-Ingenieure ihre Kunden so sehr mit Zuverlässigkeit, dass es schon als Zumutung empfunden wird, wenn die Elektronik wegen eines Defekts die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Da hat es die Informatik besser: PC-Programme und Betriebssysteme, Verzeihung - Betriebssysteme, hängen sich gelegentlich auf und verändern sich von Version zu Version so sehr, dass ihnen die Aufmerksamkeit der Benutzer sicher ist.

»Heutzutage werden jährlich mehr Transistoren gefertigt als weltweit Reiskörner geerntet!«

Bei der Elektrotechnik gibt es zudem eine starke Diskrepanz zwischen der Komplexität der elektronischen Systeme und deren optischer Erscheinung: Ein Mikrocomputer sieht zum Beispiel wie ein einfaches kleines schwarzes Plastikblättchen aus, besteht aber aus vielen Millionen einzelner Transistoren. Elektrotechnik - Prof. Dr.-Ing. Marc Ihle Ach übrigens: Wussten Sie, dass heutzutage jährlich mehr Transistoren gefertigt werden als weltweit Reiskörner geerntet werden? Wozu diese unglaubliche Menge an Transistoren gebraucht wird? Nun, viele werden für Speicherchips genutzt. Eine kleine Solid-State Festplatte mit nur 100GB Kapazität enthält schon mehr als eine Billion Transistoren. Viele weitere Transistoren dienen als kleinste Elemente in Computer-Prozessoren. Von denen werden gerade mal 10% in PCs und Server verbaut. Schade also, dass so viele junge Menschen, sich nur um die Programmierung von PCs kümmern. Denn für die übrigen 90% aller Prozessoren, die in den vielen durch Elektronik gesteuerten Systemen stecken (den so genannten Eingebetteten Systemen) gibt es viel zu wenig Elektrotechniker mit Vertiefungsrichtung Informationstechnik. Elektrotechnik gilt als sehr schwierige Disziplin. Wer würde sich schon zutrauen, die Elektronik seines Autos zu reparieren oder umzuprogrammieren? Nun, ich auch nicht.

»Wer sich für Mathematik und Logik gar nicht interessiert, der sollte lieber etwas anderes lernen.«

So etwas sollten schließlich nur Spezialistinnen und Spezialisten vornehmen, die zusätzlich zum Studium genau in diesem Bereich ausgebildet sind. Aber das ist kein Argument gegen ein Elektrotechnik-Studium! »OK, aber für Elektrotechnik braucht man doch viel Mathematik und logisches Denken.« bekomme ich immer wieder zu hören. Stimmt. Wer sich für Mathematik und Logik gar nicht interessiert, der sollte lieber etwas anderes lernen. Aber Vorsicht! Nur weil man mal einen Lehrer hatte, der Mathe nicht vermitteln konnte die Flinte ins Korn werfen? Das sollte nicht sein. Psychologische Studien haben gezeigt, dass gerade junge Frauen in Deutschland ihre mathematischen Fähigkeiten unterschätzen und sich deshalb nicht für das Ingenieurstudium interessieren. In anderen Ländern sieht das ganz anders aus. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass in Frankreich, Spanien und Ägypten etwa 40% Frauen technische Fächer studieren, während es in Deutschland keine 10% sind. Daher bieten viele Hochschulen, so auch die Hochschule Karlsruhe, Stützkurse für Mathematik und Physik an, um diejenigen »abzuholen«, die mit Defiziten in diesen Fächern starten. Solange genügend Interesse vorhanden ist, sollte man sich also nicht abschrecken lassen. »Und was lernt man im Elektrotechnik-Studium? Nur Mathe und Physik?« Nein. Mathematik ist zwar eine wichtige Grundlage und begleitet die Studierenden daher während des zweisemestrigen Grundstudiums. Das Grundstudium Elektrotechnik - Informationstechnik an der Hochschule Karlsruhe enthält darüber hinaus die folgenden Module: die Grundlagen der Elektrotechnik, Wechselstromtechnik, Digitaltechnik, Informatik und Systemtheorie. Elektrotechnik - Prof. Dr.-Ing. Marc Ihle Ich möchte im Folgenden nur kurz auf vier Module eingehen, die aus meiner Sicht eindrücklich zeigen, wie Studierende auf ihre spätere Entwicklungstätigkeit in der Informationstechnik vorbereitet werden. Anfangen möchte ich mit der Messtechnik: fast jedes technische Gerät enthält heutzutage Sensoren, welche aus physikalischen Größen elektrische Signale erzeugen. Wie diese Signale korrekt ausgelesen werden sollten, wird in diesem Modul gelernt. Mit dem Modul Regelungstechnik lernen die Studierenden anschließend, wie aus den gemessenen Signalen die richtigen Steuersignale z.B. für Servo-Motoren abgeleitet werden. Mit diesem Wissen haben Studierende dann schon das Rüstzeug, beispielsweise eine Regelung für einen Quadcopter so einzustellen, dass sich dieser ruhig in der Luft halten kann. Nimmt man das Wissen aus der Nachrichtentechnik hinzu, kann man nicht nur eine Fernsteuerung für einen einzelnen Quadcopter entwickeln, sondern mit modernen Multi-Input Multi-Output Funk- Systemen (MIMO) die Informationen mehrerer Quadcopter vernetzen und mit Informationen aus dem Netz in Verbindung setzten. Dann sind wir schon bei einem aktuellen Forschungs- und Entwicklungsthema: Nach einer Studie des VDE [2] werden Cyber Physical Systems (CPS) bald nicht nur in Produktion und Logistik, sondern auch in unser privates Umfeld einziehen. Wer möchte, kann im 6. Semester das Modul Rapid Prototyping für Eingebettete Systeme wählen, in dem auch CPS behandelt werden. Die Studierenden erlernen in diesem Modul, welche Phasen bei der Entwicklung einer neuen Idee bis zu deren Realisierung als Prototyp zu durchleben sind, welche professionellen Tools man dazu nutzen kann und wie man die Gefahr minimiert, dass das Projekt scheitert. Die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften haben das Ziel, nicht nur graue Theorie zu lehren, sondern echte Praxisrelevanz. Im Labor zur Vorlesung Rapid Prototyping für Eingebettete Systeme wird von den Studierenden ein gemeinsam definiertes Projekt innerhalb eines Semesters von der Idee bis zur vollen Funktionsfähigkeit entwickelt, umgesetzt und getestet. Das Schöne daran: Auch ich als Professor weiß am Anfang des Labors nie, was die Studierenden sich ausdenken werden, welche Ideen gefunden werden und ob es am Ende funktionieren wird. Doch am Ende des Semesters konnten die Studierenden die Umsetzung ihre Entwicklung bisher immer mit Stolz erfolgreich vorführen. In den letzten beiden Semestern haben die Studierenden eine Abstandsregelung für Modellfahrzeuge und eine Helligkeits- und Farbsteuerung für die Beleuchtung ihres Arbeitsplatzes entwickelt. Ich bin schon sehr gespannt, was meinen Studierenden nächstes Semester einfällt. Und sollten Sie jetzt ebenfalls Lust an der Umsetzung elektronischer Systeme bekommen haben, würde ich mich freuen, Sie demnächst an der Hochschule Karlsruhe an der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik begrüßen zu dürfen.

Literatur

› [1] VDE Positionspapier IKT 2020 Fakten - Trends - Positionen, 2010, S. 24 › [2] VDE Positionspapier Embedded Systems, 2010, S. 12
Elektrotechnik - Prof. Dr.-Ing. Marc Ihle

Kurzvita

Herr Prof. Dr.-Ing. Marc Ihle ist seit September 2010 Professor für Elektro- und Informationstechnik an der Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft. Er unterrichtet neben Grundlagenvorlesungen der Elektrotechnik das Modul Rapid Prototyping für Eingebettete Systeme. Er ist in Forschung und Lehre aktiv. 2013 wurde er für eine seiner Lehrinnovationen mit einer Fellowship der Baden-Württembergstiftung ausgezeichnet. Nach Studium und Promotion auf dem Gebiet der Elektrotechnik an der Universität Karlsruhe (jetzt KIT) startete Prof. Ihle seine Karriere 1999 als Entwicklungsingenieur in der Handy-Entwicklung bei Siemens in Ulm, wurde dort Gruppenleiter und wechselte 2006 zur SICK AG in Waldkirch. Dort war er für die Elektronik- und Softwareentwicklung für optische Sensoren verantwortlich, bis er 2008 seine erste Professur für Medientechnik an die German University in Cairo, Ägypten annahm.
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