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Industrielle Biotechnologie

Ein Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Dirk Weuster-Botz, Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik, Technische Universität München

Aus Abgasen Kunststoffe herstellen, Seide in Bioreaktoren produzieren, Basischemikalien aus Stroh gewinnen oder Rauchgase mit Hilfe von Mikroalgen und Sonnenlicht in Wertstoffe verwandeln - dies alles und noch viel mehr versucht die Industrielle Biotechnologie (»Weiße Biotechnologie«) schon heute auf den Weg zu bringen.

Die stoffliche Zukunft mitgestalten

Wie kaum ein anderes Fachgebiet vereint die Industrielle Biotechnologie Naturwissenschaften und Ingenieurwesen mit dem Ziel, die industrielle Stoffproduktion in Zukunft mit Hilfe von neuen Biokatalysatoren und biotechnischen Verfahren noch nachhaltiger und effizienter als heute zu ermöglichen. Daher gilt die Industrielle Biotechnologie auch als die Zukunftsbranche des dritten Jahrtausends und ihr wird eine herausragende Bedeutung insbesondere auch für die europäische Wirtschaft beigemessen. Die Umsätze der Industriellen Biotechnologie betrugen 2012 bereits über 7% der Umsätze der chemischen Industrie weltweit. Aktuelle Schätzungen gehen von einer Verdopplung innerhalb von 5 Jahren aus, also rund 15% der Umsätze der chemischen Industrie werden 2017 mit Hilfe der Industriellen Biotechnologie erwartet. Auch der Wandel der Rohstoffbasis in modernen Industriegesellschaften hin zur vermehrten Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen bietet industriellen BiotechnologInnen vielfältige und anspruchsvolle Berufstätigkeiten in Forschung und Entwicklung, Produktion und Fertigung, Anlagen- und Apparatebau, sowie in Beratung und Management. Neben Unternehmen der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie des Anlagenbaus sind auch Biotechnologieunternehmen in zunehmendem Maße auf Industrielle Biotechnologen angewiesen, insbesondere wenn der Sprung von der Forschung in die industrielle Umsetzung ansteht.

Kernkompetenzen der industriellen Biotechnologie

Die industrielle Biotechnologie
› gestaltet Mikroorganismen (»Lebende Chemiefabriken«) oder Enzyme als Biokatalysatoren für die industrielle Stoffproduktion und
› nutzt die Methoden der (Bio-) Verfahrenstechnik, um eine gewünschte Stoffänderung auf einem technisch machbaren, wirtschaftlichen und industriell auswertbaren Weg zu erreichen.

Industrielle Biotechnologie ist damit interdisziplinär und erfordert zum einen spezifische naturwissenschaftliche Kompetenzen im
› Enzyme Engineering (molekulare Gestaltung von Biokatalysatoren für die industrielle Produktion) und
› Metabolic Engineering (Systemanalyse, Gestaltung und Optimierung des Stoffwechsels von Zellen - »Lebende Chemiefabriken«).

Zum anderen sind spezifische ingenieurwissenschaftliche Kompetenzen im
› Bioprocess Engineering (Reaktor- und Bioprozessgestaltung, -auslegung und -führung) und
› Bioseparation Engineering (Aufarbeitung von Bioprodukten)
erforderlich, um Bioprodukte überhaupt wirtschaftlich im industriellen Maßstab in der erforderlichen Reinheit verfügbar machen zu können.

Der Weg zum industriellen Biotechnologen

Der interdisziplinäre Charakter der Industriellen Biotechnologie - Technische Universität München Biotechnologie sowie der Bezug auf die stoffwandelnde Industrie machen zunächst eine Ausbildung in einem klassischen, möglichst grundständigen Bachelorstudiengang der
› Naturwissenschaften (Biochemie, Molekulare Biotechnologie oder ähnliche) oder einem Bachelorstudiengang der stofflich orientierten
› Ingenieurwissenschaften (Chemie- oder Bioingenieurwesen, Verfahrenstechnik)
besonders sinnvoll, bevor die Spezialisierung zum Industriellen Biotechnologen in einem Masterstudiengang erfolgt. Den unterschiedlichen Vorbildungen der verschiedenen Bachelorstudiengänge muss dann aber im spezialisierenden Masterstudiengang Rechnung getragen werden. Der Vorteil dieser Zweiteilung - zunächst ein grundständiger, möglichst breit angelegter Bachelorstudiengang gefolgt vom spezialisierten Masterstudiengang - liegt zum einen in der Erarbeitung einer breiten Natur- oder Ingenieurwissenschaftlichen Basisausbildung, die für die Industriebranchen, in der die Industrielle Biotechnologie hauptsächlich Anwendung findet, zwingend notwendig ist. Zum anderen kann die persönliche Entscheidung in das Zukunftsgebiet der Industriellen Biotechnologie einzusteigen zu einem späteren Zeitpunkt mit mehr Hintergrundwissen gegen Ende des Bachelorstudiums gefällt werden.

Masterstudium der industriellen Biotechnologie an der TUM

Der europaweit (noch) einzigartige Masterstudiengang Industrielle Biotechnologie der Technischen Universität München (TUM) vermittelt zunächst die komplementären Grundkompetenzen für AbsolventInnen der oben genannten Natur- oder Ingenieurwissenschaftlichen Bachelorstudiengänge - also spezifische biowissenschaftliche Grundlagen für IngenieurInnen und ingenieurwissenschaftliche prozesstechnische Grundlagen für BiowissenschaftlerInnen. Hierzu stellen die Studierenden gemeinsam mit persönlichen Mentoren einen individuellen Studienplan zusammen, um möglichst zielgerichtet fehlende Kompetenzen zu ergänzen. Nachfolgend erfolgt die fachspezifische Ausbildung mit Hilfe von Vorlesungen, übungen und Praktika in den vier profilgebenden Ausbildungsschwerpunkten
› Enzyme Engineering
› Metabolic Engineering
› Bioprocess Engineering und
› Bioseparation Engineering.

Ein weiterer Ausbildungsschwerpunkt kann völlig frei von den Studierenden durch Auswahl beliebiger Angebote wissenschaftlicher Universitäten weltweit individuell zusammengestellt werden. Diese Möglichkeit wird von vielen Studierenden in einem Auslandssemester genutzt. So können bereits im Masterstudium auf einfache Weise wertvolle Auslandserfahrungen für die berufliche Zukunft gesammelt werden. Abschließend wird im vierten Semester des Masterstudiums eine wissenschaftliche Forschungsarbeit zu einem Thema der Industriellen Biotechnologie bevorzugt in den Lehrstühlen und Fachgebieten verfasst, die sich zum TUM-Forschungszentrum für Weiße Biotechnologie zusammengeschlossen haben. Da es sich beim TUM-Masterstudiengang Industrielle Biotechnologie um eine forschungsorientierte wissenschaftliche Ausbildung handelt, wählen viele AbsolventInnen nachfolgend die Promotion um sich optimal auf Führungspositionen in (forschungsstarken) Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft vorzubereiten.
Biotechnologie - Technische Universität München

Kurzvita

Prof. Dr.-Ing. Dirk Weuster-Botz studierte Chemie-Ingenieurwesen an der Universität Karlsruhe, bevor er am Institut für Biotechnologie des Forschungszentrums Jülich seine Doktorarbeit anfertigte. 1990-1999 übernahm er die Leitung des Biotechnikums am Forschungszentrum Jülich, unterbrochen von einem Forschungsaufenthalt beim niederländischen Chemieunternehmen DSM in den Niederlanden. Er habilitierte sich 1999 an der RWTH Aachen und folgte 2000 einem Ruf an die Technische Universität München auf den Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik an der Fakultät für Maschinenwesen in Garching. Forschungsschwerpunkt von Dirk Weuster-Botz und seinem Team von rund 25 WissenschaftlerInnen sind Verfahren der Industriellen Biotechnologie. Daneben ist er Herausgeber der internationalen Fachzeitschrift ›Bioprocess and Biosystems Engineering‹, Koordinator des TUM-Masterstudiengangs Industrielle Biotechnologie an der Munich School of Engineering (MSE) und Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech).
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